Making of Whoroscope
Vor Kurzem haben wir den Piloten unseres Whoroscope Podcasts veröffentlicht. Wir, das sind Fabienne Freymadl und Kathrin Fiedler, zwei unabhängige Sexarbeitsaktivistinnen.
Hier erzählen wir Euch, wie es zu der Idee des Whoroscope Podcast kam:
Immer wieder entstand zwischen Fabienne und mir der Eindruck, dass uns eine Perspektive von Sexarbeiterinnen auf ganz allgemeine gesellschaftliche Vorgänge in den Medien fehlte. Durch das kollegiale Netzwerk und natürlich bedingt durch unseren Aktivismus schauen wir uns Berichte über Sexarbeit oder die Beiträge von Sexarbeitenden selbst mit großem Interesse an. Es gibt da sehr berührende, erfrischende und faszinierende Formate, von Büchern, über Dokumentationen, hin zu Kanälen, Podcasts und Kunstprojekten. Ohne die Kreativität und den Tiefgang dieser Werke schmälern zu wollen, entstand bei uns der Gedanke, dass es doch möglich sein muss, als Sexarbeiterinnen über Anderes als Sexarbeit zu sprechen. Uns fiel ins Auge, dass die Stimmen von Sexworkern fast ausschließlich zum eigenen Beruf zu hören waren, und somit die Marginalisierung sich inhaltlich fortsetzte.
Sexarbeitende als Expertinnen zur eigenen Lebensrealität und vielleicht noch zu Sexualität als solcher zu Wort kommen zu lassen scheint passabler zu sein, als ihnen Themenkompetenz zu Politik, Kultur und Kunst zuzutrauen. Hinzu kommen Hör- und Sehgewohnheiten in der Gesellschaft und ihren Medien die Stigma und Marginalisierung von Sexarbeitenden widerspiegeln. Das zu ergänzen war unsere Absicht.
Schnell war uns klar, dass wir in dem Format Podcast auch Menschen Raum geben wollten, die unsere Themen ergänzen und deren Stimmen wir hörbar machen wollten. Spannende Inhalte zu erarbeiten konnten wir uns im Gemeinschaftsprojekt gut vorstellen, denn der Austausch zwischen uns beiden ist oft sehr fruchtbar und wir können unterschiedliche Aspekte von Gesellschaft, Utopien oder Perspektiven besprechen und unsere Sicht auf die Dinge gegenseitig ergänzen. Technisch konnte Fabienne das Meiste umsetzen, woran ich (Kathy) gescheitert wäre, dafür schreibe ich nun Texte wie diesen oder organisiere Interviewpartner für die Episoden. Aus einem losen Gedanken wurde nach und nach ein Vorhaben, und wir begannen, über einen Titel nachzudenken.
Das war gar nicht so einfach: Nicht zu plakativ, aber doch einprägsam, etwas zum Schmunzeln und begrifflich so offen, dass wir damit auch inhaltlich ein Spektrum abdecken konnten. Nach einigem Kopfzerbrechen fiel uns „Whoroscope“ ein. Darin sind die Worte Whore (engl. Hure) und Horoskop enthalten und erkennbar. Jeder verbindet etwas mit einem Horoskop. Doch was bedeutet das Wort eigentlich? Es leitet sich aus dem Altgriechischen ab, von ὥρα, hora, „Stunde“, und σκοπεῖν, skopéin, „betrachten”, also Horoskop: die Stundenbetrachtung, und schließlich Whoroscope: die Hurenbetrachtung. In der heutigen Gebauchssprache steht das Horoskop wahrscheinlich nicht (mehr) für analytische Betrachtung, sondern eher für Alltagsspiritualität und Esoterik. Eine passende Blaupause, denn auch um die Sexarbeit ranken sich jede Menge Mythen, Legenden und Märchen – und der Titel Whoroscope Podcast war gefunden.
Als die Technik bestellt und geliefert war, wurde es ernst. Eine sonderbare Situation, wenn da auf einmal zwei Mikrofone vor uns stehen und man auf Knopfdruck kluge Dinge sagen soll. Ein guter Schnitt (Fabienne) glättet dann zwar noch das ein oder andere, aber der Druck ist schon hoch. Das Bemerkenswerte ist, man lernt extrem viel. Erzieht Twitter schon zu kurzen Sätzen ohne Füllwörter, so zeigte sich beim freien Sprechen schnell, dass wir Nachholbedarf bei Rhetorik und Präzision haben.
Als der erste Schnitt vorlag, kehrte ein bisschen Erleichterung ein. Das konnte man sich ganz gut anhören. Perfektion war nie das Ziel, sondern eine Effizienz, was Arbeitspensum, Kosten und Endergebnis anbelangte. Scrollt man durch die Podcastsammlungen wird man stets ausgereifte und professionelle Arbeiten neben Eigenproduktionen wie unserer finden.
Gelungen fanden wir unseren Fokus: Wir verzichteten bewusst auf zu viel Selbstmitteilung über unsere Berufe, sondern sprachen über Aspekte von Arbeit, bei denen sich auch Menschen wiederfinden, die nichts mit der Sexarbeit zu tun haben. Das spiegeln auch die Feedbacks, die uns bisher erreicht haben.