Von Ruby
Ich liebe Podcasts und höre meist 1-2h am Tag welche. Deswegen ist es spannend für mich, wenn neue Podcasts zu Sexarbeit rauskommen. Die werden asap gehört. Oft habe ich danach Lust, dazu was zu schreiben, so auch bei der Sexarbeitsfolge „Das politische Speisekarte“. Eine kleine Rezension:
Als Podcasterin weiß ich, dass es nicht einfach ist, über ein so komplexes Thema zu sprechen. Höre ich mich selbst, denke ich oft, das hättest Du noch sagen müssen, oder wieso hast Du nicht lieber dieses Beispiel gebracht?
Ich finde es gut, dass Kolleg:innen ihre Sex-Arbeit leidenschaftlich verteidigen und das ist bei der Gesprächspartnerin Kathi von Florian Goesche der Fall.
Trotzdem ich möchte respektvoll ein paar Aspekte ansprechen, die ich problematisch finde:
Gleich am Anfang geht es mit den Begriffen ganz schön durcheinander: „Sexwork“ und „Sexarbeit“ sind nicht aus dem Nichts erschienen und stammen by the way aus eben der Generation, die im Podcast an einigen Stellen dafür verantwortlich gemacht wird, dass es heute überhaupt noch Stigma gegenüber Sexworker:innen gibt. Ich persönlich mag den Begriff Prostitution auch nicht, aber er ist in D formaljuristisch und auch wissenschaftlich in Gebrauch. Das ist also keine reine Frage des Gefallens.
Nun zur Perspektive: Im Text zur Folge ist zu lesen, dass es um die persönlichen Gedanken der Kollegin geht. Trotzdem macht mir die Repräsentation und das Sprechen für eine sehr heterogene Gruppe doch Bauchschmerzen. Wieso? Klar ist Spaß als Motivation voll valide, aber:
Ohne den Spaß verderben zu wollen, hätte ich mir hier einen Disclaimer gewünscht, dass dies für viele Sexarbeitende anders sein kann. Othering und die Diskreditierung als Lobby durch die Sexarbeitsgegner ist das Eine. Das Andere ist Empathie und Anerkennung gegenüber allen Einstiegsgründen in die Sexarbeit.
Die Einschätzung zu Stigma teile ich nicht: Stigma könnte sich als Generationenproblem mit dem „Wegsterben der Alten“ (sic!) erledigen. Das ist mir persönlich zu einfach und greift als Argument auch nicht, wenn ich an das Ende der 70er und Anfang der 80er denke, als Carol Leigh den Begriff Sexwork geprägt hat, als HWG und Hydra e.V. und viele für Sexworker:innen heute wichtige Strukturen entstanden.
Obwohl hier eine persönliche Geschichte erzählt wird, verweist der Podcast mehrfach auf Armut und Kapitalismus. Danke dafür. Sexarbeitende haben ganz unterschiedliche Lebensrealitäten und viele, wenn nicht gar alle, sind komplex mit einem globalen, landnehmenden Kapitalismus verwoben.
Die Idee des Hosts einer Art Sexarbeits-Ausbildung halte ich für abwegig, weil das an den Bedürfnissen vieler Kolleg:innen vorbeigeht (eben keine Zugangsbeschränkung für den Einstieg/informell/ohne Zeugnis, auch für Menschen mit geringen Sprachkenntnissen möglich).
Als im Podcast unterschiedliche Prostitutionspolitiken zur Sprache kommen holpert es für mich sehr, denn nun gehen Begriffe wie Regulierung, Kontrolle, Schutz durcheinander. Doch die größte Baustelle ist für mich das Opfer-Narrativ, dass durch die ganze Folge reproduziert wird, wann immer die Rede auf sog. Armutsprostitution kommt. In Minute „55 fällt gar der Satz:
Armutsprostituierte seien ja keine Sexworker.
Wie bitte?!
Oder anhand des Beispiels der „eingewanderten Rumänin“, mit Hilfe dessen die Themenkomplexe Menschenhandel/prekäre Sexarbeit/Ausstieg auf für mich problematische Weise angerissen werden.
Ich hatte leider oft das Gefühl, dass mit Alten, Behinderten, Migrantisierten nicht sehr respektvoll umgegangen wird. Und darin liegt für mich der Knackpunkt: Spaltung ist ein Mittel der Gegner:innen, Sexarbeitende gegeneinander auszuspielen.
Meine Einstellung dazu ist die:
Sensibilität gegenüber Marginalisierten und einem Bewusstsein für Dominanzkultur und Privilegien -Stichwort Hurenhierarchie/Whorachy- ermöglicht das Normalisieren von Sexarbeit in der Gesellschaft.
Gedacht als freundliche Kritik einer Kollegin & Podcasterin.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!